insights! #116: 100 Jahre Ehlert und kein bisschen veraltet: Was moderne Kundenzentrierung ausmacht

In dieser Folge von insights! spricht Joubin Rahimi mit Philipp Ehlert über die Herausforderungen und Chancen im Lebensmittelgroßhandel. Von smarter Logistik über echte Kundenzentrierung bis hin zum sinnvollen Einsatz von KI – ein Gespräch voller Klartext, Haltung und unternehmerischer Weitsicht. Philipp zeigt, warum Zuhören manchmal wichtiger ist als Automatisieren – und wie Nachhaltigkeit auch ganz lokal beginnt.

Der Kern eines jeden Unternehmens ist es, ein Bedürfnis des Kunden optimal zu befriedigen. Und ja, das tut weh, wenn man dann hört: Boah, die Funktion, die man mit Herzblut gebaut hat, ist komplett useless. Aber genau da liegt der Schlüssel: Schmerz zulassen, um besser zu werden.

Philipp Ehlert CEO Gustav Ehlert GmbH & Co. KG
Philipp Ehlert, Geschäftsführer der Gustav Ehlert GmbH & Co. KG, gibt spannende Einblicke in die Herausforderungen und Chancen eines modernen Fachgroßhandels – zwischen Logistik, Digitalisierung, Kundenzentrierung und sozialem Engagement. Ein inspirierender Blick hinter die Kulissen eines Unternehmens, das nicht nur liefert, sondern auch Haltung zeigt.

„Gegessen wird immer“ – und wie!

Lebensmittel sind ein Grundbedürfnis – soweit, so bekannt. Doch was bedeutet das eigentlich für Unternehmen, die genau dort tätig sind, wo aus Rohstoffen Produkte werden? Philipp Ehlert, Geschäftsführer der Gustav Ehlert GmbH & Co. KG, bringt es charmant auf den Punkt: „Wir liefern alles – außer dem eigentlichen Essen.“ Verpackung, Hygieneartikel, Gewürze, Reinigung – kurzum: alles, was die Lebensmittelproduktion am Laufen hält. Doch auch wenn der Magen knurrt, heißt das noch lange nicht, dass der Markt satt ist. Der Weg von der „Produktion auf Anschlag“ vor Corona bis zum heutigen Maß an bewussterem Konsum zeigt: Auch diese Branche ist im Wandel. Der Peak ist vorbei, die Realität nachhaltiger und das ist sogar gut so.

Nachhaltigkeit mit Nachdruck

Ehlert macht nicht nur Business, sondern auch bewusst Sinn. Das Engagement für die Tafel in Gütersloh ist keine PR-Maßnahme, sondern gelebtes Unternehmertum. Was nicht mehr gebraucht wird, soll nicht verderben – es soll helfen. Kunden, die Lebensmittel herstellen, werden aktiv ermutigt, Überschüsse zu spenden. Eine stille Brücke zwischen Wirtschaft und Verantwortung, bei der alle mitgehen können und sollten.   Was Ehlert konkret tut: • Jährliche Weihnachtsspende an wohltätige Organisationen • Aufbau einer dauerhaften Spendenkooperation mit der Tafel • Aktivierung von Kunden zur Lebensmittelweitergabe

Konsolidierung statt Kuschelkurs: Der Strukturwandel

Kleinbetriebe haben es schwer. Metzgereien, Feinkostläden, handwerkliche Produzenten – sie werden weniger. Der Markt konsolidiert sich. Für Ehlert heißt das: Weniger Kunden, dafür größere Player. Und das bedeutet wiederum, dass strategische Diversifikation keine Option, sondern Notwendigkeit ist. Die Antwort? Europa. Der DACH-Raum als erster Schritt, Anrainerstaaten als nächste – alles, was logistisch noch Sinn ergibt, wird in den Blick genommen. Das Ziel: ein stabiles Fundament für langfristigen Unternehmenserfolg.

Der Kunde im Zentrum – auch digital

Was banal klingt, ist in Wahrheit eine Kunst: Den Kunden wirklich verstehen. Nicht nur im analogen Gespräch, sondern vor allem im digitalen Raum. Ehlert beschreibt sehr ehrlich, wie E-Commerce die Beziehungsebene verändert – und wie wichtig es ist, diese Lücke aktiv zu schließen.   Ein Aha-Moment: Kunden nutzen viele nützliche Funktionen einfach nicht – weil sie keine Zeit haben, sich damit zu beschäftigen. Die Konsequenz? Schulung, Vereinfachung, Verständnis. „Die Funktionen sollen Zeit sparen – aber keiner hat Zeit, sich mit ihnen zu beschäftigen.“ Es geht nicht darum, Kunden umzuerziehen, sondern darum, sie mitzunehmen. Und wenn eine Funktion niemand nutzt? Dann darf sie auch wieder gehen – so weh das Entwicklerherz dabei auch schreien mag.

KI als Möglichmacher – nicht als Alleskönner

Philipp Ehlert sieht KI pragmatisch. Von der Bestellautomatisierung bis zur langfristigen Supply-Chain-Optimierung – Potenzial ist da, doch es geht Schritt für Schritt. Und ja, auch im Marketing, wenn der berühmte weiße Texter-Bildschirm mal wieder zu leer ist.

„Manchmal brauchst du einfach einen, der anfängt. KI kann dieser jemand sein.“

Die große Vision? Eine Supply Chain, die intelligent auf Kundenprognosen, Wetter, Ernteschwankungen und geopolitische Ereignisse reagiert und das automatisch und nachhaltig.

Ausbildung mit Haltung

Wer ausbildet, trägt Verantwortung. Für Ehlert bedeutet das: selbst prüfen, begleiten, fördern – und auch mal pushen. Gerade im E-Commerce spürt er den Spagat zwischen Theorie und Praxis besonders deutlich. Die Prüfungen? „Nicht zeitgemäß.“ Der Nachwuchs? Oft zu schüchtern, um mutig auszuprobieren. Die Lösung? Vertrauen, Feedback – und das klare Signal: Du darfst hier wachsen.   Ehlerts Appell an die Azubis: • Probier dich aus. • Brich aus dem Schema aus. • Sag, wenn dir etwas auffällt.   Denn nur wer weiß, wie der Kunde tickt, kann wirklich gute digitale Lösungen entwickeln. Und das lernt man eben nicht am Bildschirm, sondern im echten Kontakt.

Digital? Logisch! Aber bitte mit Sinn

Der Neubau des automatisierten Hochregallagers ist nicht nur ein Bauprojekt – es ist ein IT-Projekt. Fahrerlose Transportsysteme, intelligente Materialflusssteuerung, Schnittstellenmanagement – ohne IT läuft nichts mehr. Und das ist auch gut so. Was auffällt: Bei Ehlert wird nicht starr budgetiert, sondern sinnvoll investiert. Nicht in Projekte, weil Budget da ist – sondern weil sie sinnvoll sind. Ganz ohne Excel-Dogmen.

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Hier ist der Inhalt:

Joubin Rahimi

Gandios, dass ihr wieder dabei seid zu einer neuen Folge von insights! Mein Name ist Joubin, Joubin Rahimi und heute mit dabei zu Gast: Philipp Ehlert von Gustav Ehlert GmbH & Co. KG. Hallo Philipp.

 

Philipp Ehlert

Moin Joubin.

 

Joubin Rahimi

Super, dass du da bist. Wir hatten ja schon mal ein Interview vor, ich glaube, zweieinhalb Jahren, schon ein bisschen her, mit Intershop zusammen.

 

Philipp Ehlert

Mag sein.

 

Joubin Rahimi

Und vielleicht magst du erst mal noch ein bisschen was zur Firma und zu dir erzählen und dann würde ich mit der ersten Frage einsteigen.

 

Philipp Ehlert

Alles klar. Mein Name ist Philipp Ehlert. Ich bin 45 tatsächlich schon, Vater von einem Kind und arbeite in der Gustav Ehlert GmbH & Co. KG. Auch ein Familienunternehmen. Wir sind letztes Jahr 100 geworden und wir sind im Prinzip ein Fachgroßhandel für Nahrungsmittelproduktionsbedarf. Also alles, was du brauchst, um irgendwas zu essen, zu bauen, herzustellen oder zu verarbeiten, außer eben den Rohstoff selber. Also kein Fleisch, kein Gemüse, kein Teig, aber alles, was man halt braucht: Einwegbekleidung, Verpackungsmaterialien, Reinigungsmittel.

 

Joubin Rahimi

Gewürze haben wir von euch.

 

Philipp Ehlert

Gewürze, richtig. Wobei, Gewürze ist immer nicht unbedingt so ein Einstiegsprodukt, aber das können wir später noch mal vielleicht kurz drüber sprechen. Genau, und bin jetzt seit 2019 Geschäftsführer, zusammen mit einem Kollegen, und ich mache halt bei uns alles, was irgendwie so das Innenministerium ist. Also von Personal über Prozesse, IT, zusammen mit einem Kollegen, ein bisschen zu E-Commerce. Genau, Logistik ist auch ein großer Part mittlerweile bei uns. Das ist so mein Job.

 

Joubin Rahimi

Und das ist sehr umfangreich dazu. Mit Logistik würde ich auch noch mal kurz einsteigen, IT auch. Wie siehst du denn im Moment den Markt? Also essen müssen wir ja alle. Ist es dann einfach stabil? Wir sehen Automotive geht gerade runter, Schuhe, Bekleidung schwierig, andere Sachen gehen wieder hoch.

 

Philipp Ehlert

Haushaltsgeräte gehen auch gerade runter. Wir haben einen großen Hersteller einen Gütersloh. Das Sprichwort trifft es tatsächlich ziemlich gut. Also gegessen wird immer ja. Und wir hatten, wenn wir jetzt mal so ein bisschen den Zeitrahmen aufmachen, nicht so letztes Jahr, vorletztes Jahr, sondern so ein bisschen vor Corona, nach Corona vielleicht, während Corona, könnte man auch noch sagen, hatten wir vor Corona auf jeden Fall ein ziemliches Produktionspeak. Also da wurde rausgehauen, was geht. Dann hatten wir Corona und hat sich das quasi im Lebensmittel Einzelhandel ein bisschen reduziert, weil die Leute einfach nicht mehr so viel. Dafür hat sich dieses Thema Homemade und alle wollen zu Hause kochen und so, hat sich halt hochgestrabbelt. Dann ist das Handwerk wieder ziemlich stark geworden und nach Corona hatten wir so eine richtige Delle. Also das haben wir auch bei unseren Kunden gemerkt. Also die Produktionsmenge an sich ist halt extrem runtergegangen und wir sind jetzt wieder so ein bisschen auf einem aufsteigenden Ast, wobei ich sagen muss, dass das eigentlich ganz gut ist, weil wir halt diese, ich nenne es mal überproduktion, weil es real nicht war, aber so gefühlt ein bisschen wieder eingegrenzt haben.

 

Joubin Rahimi

Haben wir denn weniger gegessen oder weniger Fleisch gegessen?

 

Philipp Ehlert

Das ist ja nicht nur Fleisch. Ich glaube, dass sich die Orientierung wieder dahin entwickelt hat, zu sagen: Ich kaufe jetzt auch mal nur das, was ich auch wirklich absehbar verzehren kann und ich kaufe nicht: Da habe ich noch Bock drauf und hier habe ich noch Bock drauf. Das spielt sicherlich auch so ein Thema wie die Inflation eine Rolle, wo ja Lebensmittel auch gerade Preistreiber immer noch sind, wo die Leute sich einfach darauf zurückbesonnen haben, zu sagen: Ich nehme nur das mit, was ich auch real wirklich verbrauche, ohne dass es auf Halde liegt.

 

Joubin Rahimi

Okay, kann ich nachvollziehen.

 

Philipp Ehlert

Das hat natürlich auch einen positiven Effekt auf Themen wie Lebensmittelverschwendung und andere Nachhaltigkeitsaspekte. Und ich persönlich finde das eigentlich auch ganz gut, dass das so ist.

 

Joubin Rahimi

Ich weiß auch, wir haben ja auch mal gefragt, wann können wir dir mal was Gutes tun? Als Dankeschön hast du gesagt, mir nicht, aber der Tafel. Genau. Was macht ihr denn da in dem Umfeld?

 

Philipp Ehlert

Wir machen grundsätzlich mit der Gustav Ehlert hat jedes Jahr schon seit, ich weiß gar nicht, 50 Jahren mindestens immer eine sogenannte Weihnachtsspende und wir haben immer überlegt: Okay, jedes Jahr neu, wem können wir eigentlich wie, wo unter die Arme greifen damit? Und haben immer unterschiedliche Organisationen unterstützt und sind vor, ich glaube, vor vier, fünf Jahren mal auf die Tafel gekommen. Und wir haben in Gütersloh halt eines der großen Logistikzentren der Tafel, die da Lebensmittel spenden und alles, was für die Tafel steht, aggregieren und das wieder an kleinere Tafeln verteilen im Kreis Gütersloh und haben uns halt lange auch mit der Geschäftsführerin da unterhalten und haben gemerkt, okay, da können wir wirklich einen Hebel ansetzen über Spenden und aber auch, wenn es geht über Kunden, weil unsere Kunden produzieren Lebensmittel und wenn die was über haben, können die das eben auf der Tafel geben. Wir haben jetzt direkt nichts außer Gewürze, die wir eben geben können und haben so eine Art, ich sage mal, Spendenkooperation mit denen und fordern halt auch immer auf, denen was unterlassen, weil die wirklich, wirklich eine sehr wichtige Arbeit leisten, gerade auch im Hinblick auf das Thema Inflation und Nahrungsmittelsicherheit, sage ich mal, für Menschen, die eben nicht mehr überlegen, ich nehme das noch mit und ich probiere das mal, sondern: Wie komme ich überhaupt über die Runden Genau.

 

Joubin Rahimi

Und das betrifft ja auch Familien. Genau. Ist ja quer durch. Ist ja nicht einfach nur der Mann, der unter der Brücke sitzt, sondern viel tiefgreifender schon. Nein, nein, nein. Es sind schon- viel tiefgreifender schon, oder?

 

Philipp Ehlert

Eben mitten im Leben stehende Menschen Familien sowieso. Und wenn es Familien betrifft, trifft es Kinder immer am härtesten. Und das ist uns halt als Unternehmen, als Familienunternehmen auch ein Herzenswunsch, dass wir da eben unser Möglichstes tun, umdenen zu helfen.

 

Joubin Rahimi

Eine total wichtige Abbiegung, die wir jetzt einmal genommen haben. Um das ja machen zu können, muss ja auch das Geschäft vernünftig laufen. Ist ja so, oder? Ja, klar. Wenn man nichts verdient, dann kann man ja auch nichts spenden. Du hast gesagt, es ging ein bisschen runter, ein bisschen hoch. Verändert sich denn der Markt ansonsten? Also verändert sich die Struktur? Oder ist das ja gleichbleibend bei euch?

 

Philipp Ehlert

Nein, also insbesondere in Deutschland, und das ist auch so eine Bewegung von Norden nach Süden haben wir ja mit einem Handwerkersterben zu tun. Also der Lebensmittelhandwerker, ob das jetzt ein Metzger ist oder ob das ein Fischladen ist oder ein Feinkostladen, der verschwindet zunehmend aus unserer Kundenstruktur. Der ist bei uns in Nordrhein-Westfalen schon seit 20, 15 Jahren überwiegend verschwunden. Es gibt immer noch gute Betriebe, einzelne, gute, aber der Markt konsolidiert sich echt stark Da gibt es große Anbieter, die auch jetzt zusehen, dass eben Unternehmen, die vom Markt verschwinden, entweder aufkaufen, Produktionskapazitäten in anderen Bereichen in Deutschland ausbauen und das konzentriert sich immer weiter. Und das ist auf auf europäischer Ebene ähnlich. Es gibt Länder, da ist das noch nicht so ausgeprägt und es gibt Länder, da ist das vielleicht noch gar nicht der Fall. Aber grundsätzlich ist das eben ein Thema und das ist eben auch dem geschuldet, dass Nahrungsmittel ja bezahlbar bleiben müssen. Um Bezahlbar zu sein, reden wir hier über Stückkosten-Degression und effiziente Prozesse. Und das können eben, sagen wir mal, spezialisierte, große Unternehmen einfach besser gewährleisten, auch in der gesamten Fläche über so einen Lebensmittelvertrieb, als eben kleine. Das ist einfach faktisch so. Deswegen ist das Lebensmittel nicht schlecht, besser oder schlechter, aber alles, was drum rum ist, muss eben gehandelt werden.

 

Philipp Ehlert

Das ist bei uns ja auch so. Und das ist halt die Herausforderung und warum sich dieser Prozess immer schneller fortbewegt.

 

Joubin Rahimi

Und dadurch habt ihr ja auch potenziell eher weniger Kunden, mehr Große, aber weniger Kunden?

 

Philipp Ehlert

Ja, also in Deutschland, ja. Und deswegen gehen wir auch hin und sagen: „Okay, wir wollen gerne weiter oder tiefer in den europäischen Markt eintreten, anreiner Starten von Deutschland, deutschsprachiges Starten erst mal im Fokus, also Dachraum klassischerweise, und dann eben aber auch alles, wo sich der Transport und die Lieferung noch vernünftig abdecken lässt durch uns, auch in Angriff nehmen, einfach um ein vernünftiges Fundament zu erhalten. Weil wenn man sich von allem abhängig macht, das kennen wir aus unserer Kundschaft und das kennen wir auch aus anderen Bereichen, ist das immer blöd, weil dann irgendwann auch nicht mehr Herr deines Geschäfts bist. Dann lässt du dich halt leiten.

 

Joubin Rahimi

Was ich spannend finde, du sagst halt, zum einen, das wären weniger Kunden und größer, aber zum anderen willst du dich ja nicht abhängig machen. Ihr habt ja mit uns auch gestartet, nicht nur mit uns, wahrscheinlich auch mit anderen Firmen, noch, den Kunden mehr in den Mittelpunkt zu rücken. Also eher zu überlegen: Wie kann ich dem Kunden noch helfen über das, was euer Kerngeschäft noch ist? Also Sprichwort E-Commerce und Webseite und so weiter. Magst du da die Grundgedanken dazu mitgeben, warum du denkst, das ist sinnvoll, dort auch Zeit und Geld zu investieren? Klingt so banal.

 

Philipp Ehlert

Ja, das klingt so banal. Der Kern unseres Geschäftes war immer schon das Bedürfnis des Kunden. Also nur noch mal ganz kurz zu sagen: Wir handeln mit Verbrauchsartikeln für die Lebensmittelproduktion. Das heißt, wann schreit jemand, dass er einen neuen Handschuh braucht oder eine neue Haube oder im Zweifelsfall auch neues Handtuchpapier, wenn er die Packung leergemacht hat? Und das heißt, dann mussten wir immer schon so gut sein, dass wir ihn genau dann auch beliefern konnten, weil vorher sagt der nichts. Und das ist eben die Philosophie und die ist total banal, wie du schon sagst: Der Kunde ist im Mittelpunkt, zu wissen, wie tickt der Kunde und wann muss ich eigentlich als Unternehmen bereitstehen, um ein das Kundenbedürfnis zu befriedigen? Jetzt ist es ja so, dass wir uns auch über das Thema größere Unternehmen und auch über das Thema E-Commerce körperlich und in der Beziehungsebene ein bisschen von unseren Kunden entfernt haben. Und das ist ein Thema, das haben wir auch mal versucht, das ist aber blöd, weil man den Kunden: Ich erziehe den ja nicht. Also ich kann ihm ja nicht sagen: Passt mal auf, das, was wir vorher gemacht haben, das musst du jetzt aber bitte so machen, damit das für uns passend ist. Ganz schwieriges Thema. Das klappt nicht. Also muss ich doch gucken, dass ich den Prozess, den ich vorher schon gut offline gelöst habe, genauso gut online gelöst bekomme. Nur, dass ich jetzt nicht erst mal gedacht vielleicht, nicht direkt face to face mit dem Kunden spreche, sondern das antizipiere und für eine größere Menge an Kunden verfügbar mache. Und da gehen halt ganz viele hin und das machen wir natürlich auch, aber legen nur noch Wert auf die Daten. Was erzählen mir die Daten? Und wie kann ich das irgendwie … ? Und dann bin ich schon wieder in diesem Interpretationsding drin, weil Daten sind zwar an sich eineindeutig, aber was ich daraus mache in meinem Kopf, ist ja komplett eine eigentlich subjektive Gestaltung und vielleicht auch das, was ich mir vorstelle, wo ich hin möchte, es dann irgendwie mit Zahlen zu untermauern. Also es ist nicht ganz so einfach, nur zu sagen, die Zahl sagt das, deswegen folgt doch logisch das als Konsequenz. Und dann sind wir hingegangen und haben Okay, wenn wir doch unseren Kunden haben, als Informationsquelle, als Inspirationsquelle, lasse ihn uns doch einfach wieder fragen. Und Kunden fragen, was sie von einem denken, ist immer schwierig. Man ist ja auch so und das hat man doch alles gut gemacht.

 

Joubin Rahimi

Und dann ist es im System ja drin.

 

Philipp Ehlert

Ist es im System, genau. Oder aus dem Grund macht es eben genau Sinn, zu sagen: Ist es denn das wirklich so, wie ich mir das gedacht und gewünscht habe? Und erfülle ich damit überhaupt einen Need? Oder ist das einfach nur geil, weil ich das technisch gut finde, weil das halt gerade möglich ist? Und dann haben wir das gemacht, haben unsere Kunden befragt und sind halt jetzt eingestiegen in diesen, sagen wir mal offline-gestützten Online-Optimierungsprozess. Weil noch mal, der Kern eines jeden Unternehmens ist es, ein Bedürfnis des Kunden optimal zu befriedigen. Und in dem Fall fällt auch noch von verschiedenen Gruppen unterschiedliche. Und dann muss ich halt hingehen, dann muss ich reingehen, dann muss ich auch den Schmerz fühlen und den Schmerz irgendwie dazu nutzen, besser zu werden. Und ja, das tut weh, wenn man dann hört: Boah, die Funktion, die man mit Herzblut irgendwie gebaut hat, ist aber eigentlich komplett useless für den Kunden. Nutzt keiner. Nein, genau. Dann sagt man: Boah, okay, dann weg. Man blutet. Aber ja, es ist halt Schweiß und Blut, dann wird’s gut oder so.

 

Joubin Rahimi

Wo du gesagt hast, man kann den Kunden nicht erziehen. Wir sind ja in der Zusammenarbeit auch gewachsen, in der Zusammenarbeit auch als Firma gewachsen, auch mit dem Konzern. Wir haben jetzt mittlerweile SAP und da war ja auch Diskussion mit der auch, Verträge und so weiter. Und das fand ich auch spannend bei uns intern, die Diskussion. Da haben wir gesagt: Ich hoffe, das ist okay. Philipp, du hast mit uns ja nicht einen Stringenten-. Du hast einen Plan, auch nicht einen Stringenten, dass man sagt, der ist SAP abbildbar, nenne ich es mal so.

 

Philipp Ehlert

Nein, definitiv nicht.

 

Joubin Rahimi

Nein, nein, nein, nein, nein, Wir sind deutlich agiler. Das müssen wir mappen.

 

Philipp Ehlert

Ja, das ist aber mit so einem unflexiblen System dann schwierig. Also das kann ja auch mal eine Conclusion sein, wenn man sagt: Ich komme einfach nicht klar. Meine Kunden wollen was komplett anderes, als meine Struktur dasgerade hergibt. Dann muss man halt einen Cut machen.

 

Joubin Rahimi

Ja, und da kannst du sagen, entweder im System oder was wir ja gemacht haben, wir haben so ein Mapping. Also ein Mensch mappt das jetzt.

 

Philipp Ehlert

Ist ja auch in Ordnung. Wenn das irgendwie vertretbar machbar ist, ist das ja gut.

 

Joubin Rahimi

Total. Ja, und das ist ja für dich ja auch okay. Aber das fand ich ganz ganz spannend gerade in der Analogie. Was sind aber Sachen, die du herausgefunden hast, wo du sagst, diese Funktion, du hast ja gesagt, du bist ja schon auf Funktion reingegangen oder bestimmte Themen, wo so ein Aha-Moment gekommen ist, wo du sagst. Das hätte ich nicht gedacht oder das hat dich total bestätigt?

 

Philipp Ehlert

Ja, also was ich spannend fahre, so als Gesamt Fazit nach den ersten Kundenbefragungen jetzt, war das Thema: Ich kenne viele Funktionen nicht, weil ich habe ja keine Zeit, mich damit zu befassen, obwohl die Funktionen ja eigentlich dazu gedacht waren, Zeit einzusparen. Das heißt, so eine Art Lernphase oder ähnliche Dinge mit einzuplanen, um zu sagen: Okay, wie kriege ich das näher an den Kunden ran, um ihn deutlich zu machen, dass das eben, also eine Bestellung einfacher geht, vielleicht auch ein bisschen abseits von dem, dass er privat bewohnt ist – wir shoppen ja alle privat online – und zu sagen: Okay, wie komme ich dahin? Und dann so Themen, was einen ja natürlich, das kannte ich nicht, das finde ich voll gut. Also irgendwas Banales wie eine Bestellvorlage, was eine Art Wunschzettel ist, die man regelmäßig füllt, anpasst und einfach weghaut, weil das ja auch ein Learning ist bei uns aus den Kundengesprächen und aus dem wie Kundenneed, seit 100 Jahren. Wir haben einen relativ regelmäßigen Bedarf. Das schwankt immer ein bisschen, aber man kann so Kernsortimente bilden für Kunden, auch rein datentechnisch tatsächlich, und die treffen zu 99%. Aber eben dieses 1% und die Freiheit muss man den Kunden auch lassen, wollen sie auch individuell anpassen. Und da sind sie eben ganz stark auch darauf fokussiert, zu sagen: Das will ich gar nicht automatisch alles mir vorgeben lassen und dann nur noch sagen jo, nein, sondern ich will auch wirklich noch mal die Sicherheit drüber zu gucken, dass ich alles habe, dass es meinem Wunsch entspricht, was ich jetzt für die nächste Woche oder die nächsten zwei Wochen brauche.

 

Joubin Rahimi

Habt ihr auch so was wie so ein Hello Fresh Prinzip?

 

Philipp Ehlert

So eine Lieferbox?

 

Joubin Rahimi

Ja, kennst ja Hello Fresh?

 

Philipp Ehlert

Ja, ich war mal Kunde.

 

Joubin Rahimi

Genau, ging mir genauso. Und das Spannende war, zum Sonntag haben wir ja geschickt: Hier das kommt jetzt, und dann war es so: Nein, ich muss noch was anpassen.

 

Philipp Ehlert

Nein, also so ein Box-Modell, wir haben das schon mal auch mit einer Umfrage mal herausgefunden: Habt ihr Bock auf so eine Art Abo-Modell, so ein Liefermodell oder so ähnliches? Und da war die Resonanz: Nein, geht nicht. Haben wir kein Interesse daran. Wir müssen selber, weil wir in der Verantwortung stehen und das dann … Jetzt kann man darüber philosophieren, welche Kundengröße ist das? Für wen wäre das gut? Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit, wir bieten das an und machen einfach einen Dauerauftrag bei uns fertig, also so eine Art Abo-Bestellung, die sich regelmäßig wiederholt. Du kannst frei darüber bestimmen, du kannst sie frei anpassen, wird aber relativ wenig genutzt. Also es ist dann so, ist auch ein Prozessthema bei den Kunden. Die gehen halt hin, schreiben was auf dem Zettel, gehen durchs Magazin, gucken, das fehlt, das fehlt, das fehlt. Die wollen das dann einmal loswerden, dann ist das aus dem Kopf raus und dann können die sich wieder auf andere Dinge konzentrieren. Die Sachen, die wir liefern, sind ja keine mehrwertstiftenden Produkte. Die sind zwar relevant für die Produktion, aber davon wird ein Produkt in erster Linie nicht besser oder nicht schlechter. Wir nehmen jetzt mal Gewürze raus.

 

Joubin Rahimi

Ich wollte schon gerade sagen.

 

Philipp Ehlert

Die müssen halt da sein. Die sind lecker. Genau, weil die müssen halt im Endeffekt brauchst du die Handschuhe, weil das Lebensmittel dann hygienisch verarbeitet werden kann. Das ist vollkommen legitim und vollkommen gut, aber davon wird ja das Lebensmittel im Kern, wenn ich mir jetzt die Hände wasche, nicht besser. Und deswegen ist das so eben schnell machen, dann raus aus dem Kopf, nicht mehr darum kümmern. Und das ist eben das, wo wir auch unseren Mehrwert liefern können: Ja, wir wissen, was du willst. Schreibe uns einfach irgendwas ins Ohr. Wir wissen genau, was du brauchst. Wir schreiben das in der richtigen Menge auf. Wir kommissionieren funktionieren und liefern dir das in der richtigen Menge und danach musst du dich nicht mehr drum kümmern. Also du hast es, wenn es vom Zettel ist, auch wirklich aus dem Kopf.

 

Joubin Rahimi

Ich würde mal einen Schwenk zur AI machen. Ja. Da erst mal ganz generell, du machst auch Logistik, bist ja für die IT in Summe zuständig, also viele Themen. Wo siehst du Anknüpfungspunkte zu AI?

 

Philipp Ehlert

Oder wo du das erst mal besser machen kannst mit AI? Also grundsätzlich in allem, was irgendwie automatisiert werden kann oder effizient abgebildet werden kann, ob das jetzt eine Auftragseingabe ist, die wir auch per E-Mail und per Dokument dabei bekommen, eigentlich ein alter Punkt. In so einem Thema wie Bestandsoptimierung, wo verschiedene Artikel, Folgeartikel und so Sachen, also so Zusammenhänge, die du nicht einmal aus dem System rausbekommst, eben connecten kannst, um daraus eben eine schlüssige Bedarfsprognose zu machen. Mein Traum, das habe ich, glaube ich, vor fünf oder Jahren oder so schon gesagt, ist halt eigentlich so Supply Chain komplett abzubilden. Also wenn unsere Kunden die nächsten vier Wochen die und die Produkte produzieren, was brauchen sie davon dann von uns und wie müssen wir disponieren, damit wir möglichst effizient den Bedarf auch selber schaffen können Zum Teil eben aus Übersee oder ähnliche Geschichten. Wie wirken sich denn lokale Ereignisse, zum Beispiel Wetterereignisse, Mischernten bei Gewürzen auf, aus, Preis und so weiter und so fort? Dass man wirklich vernünftig eigentlich so ein globales Dashboard hat, wo man seine Supply Chain vernünftig monitoren kann, um aber im Endeffekt effizienter und auch umweltschonender, nachhaltiger die Versorgung sicherzustellen. Weil alles, was überproduziert wird, alles, was ich dreimal anpacken muss, alles, was ich irgendwie nicht marktgerecht unterbringen kann, belastet ja im Prinzip das System. Das wäre so eine Wunschvorstellung von mir. Und aktuell ganz trivial bei so Banalitäten, so ein bisschen Social Media raushauen, ein bisschen dafür Werbung machen, Texte schreiben lassen, alles, wo man so für sich selber auch immer so eine Hemmschwelle überschreiten muss, wo man einfach sagt: Fang du mal an. Ich mache das dann hinterher fertig, aber fang du erst mal an. Das ist eigentlich ganz schön. Man hat so einen Bert da sitzen, der jetzt einfach mal anfängt und dann kann ich mich damit befassen, ohne dass ich vor so einem blanken Blatt Papier sitzen muss.

 

Joubin Rahimi

Du nimmst ja auch Prüfungen ab für Azubis. Erst mal, warum machst du das? Du machst das ja auch gerne, hast du mir mal gesagt. Das ist auf jeden Fall, finde ich mega und das ist, glaube ich, auch mal spannend zu hören. Und die nächste Frage wäre: Hast du mit denen auch einmal geguckt, wie die an die neuen Themen rangehen und Unterschiede festgestellt?

 

Philipp Ehlert

Also erst mal mache ich das, weil ich finde, wir bilden selber E-Commerce-Kaufleute aus, auch Großhandelskaufleute und Lager-Logistiker, dass ich das … Also für mich gehört sich das so: Wenn ich die ausbilde, dann möchte ich auch gerne mit prüfen. Nicht unsere, sondern generell mal gucken, wie wir so eine Prüfung auch mitgestalten und schauen, was gibt es denn, was gibt es für Möglichkeiten? Welche coolen Typen trifft man da vielleicht auch? Und wie sieht denn so eine Prüfung eigentlich aus? Jetzt muss ich dazu sagen, dass die Prüfung für E-Commerce Kaufleute, ist ja das sogenannte Fachgespräch. Ich weiß nicht, vielleicht wäre das ein Appell auch an die IHKs hier im Land, noch mal zu sagen: Können wir da in die Prüfung noch mal rangehen? Weil das ist so: Die machen ein Projekt während ihrer Ausbildung, meistens in der letzten Ausbildungsphase drei Monate oder vier, irgendeine Analyse, irgendeine Optimierung von Prozessen, Marketingthema, wie auch immer, schreiben dazu dann drei DINA4 Seiten Report, Planung, Durchführung, Evaluation und irgendwas, würde ich das noch mal auf dem Fazit. Und das Einzige, was die Prüfung ist, ist, die stellen das kurz vor und dann reden wir drüber über relevante Themen in der Ausbildung und dann war es das. Die können nichts zeigen, die haben keine Präsentation, die haben keinen Online-Zugriff, die machen … Das ist quasi komplett offline.

 

Joubin Rahimi

okay.

 

Philipp Ehlert

komplett offline.

 

Joubin Rahimi

Das ist so ein E-Commerce-Kaufmann oder Kauffrau.

 

Philipp Ehlert

Ja, genau. Und das ist unglaublich. Ich weiß nicht, ich finde es nicht zeitgemäß. Ich finde auch die Art der Prüfung so nicht cool, weil es ist ja kein Gespräch. Guck mal, ich bin 45. Da sitzt jemand, wenn der alt ist, ist er 30, wenn er jung ist, ist er vielleicht irgendwie 21. Gespräch? Das heißt Fachgespräch. Das ist Frage-Antwort. Total blöd. Das nur mal so zu dem Prüfungsformat. Und ich glaube, das Rangehen an so neue Themen wie: Wie können wir jetzt mit AI was Produktives oder einen Mehrwert im Unternehmen stiften? Das kommt nicht hart auch durch die Berufsschule. Also bisher ist das so, die Berufsschulen probieren unglaublich viel aus, wenn sie die Möglichkeit haben – das muss ja auch noch sein – und sagen: Guck mal, für eine Präsentation benutzt du dies, für eine Analyse mach doch mal dieses. Komm mal, wir haben hier, wir können da. Also da kommen die mit ran. Und die Transformation ins Unternehmen Ist dann immer noch ein anderes Thema. Wie gesagt, die sind sehr jung, die sind sehr schüchtern, die kommen mit solchen Themen nicht wirklich enthusiastisch, also bisher bei uns auf jeden Fall nicht so enthusiastisch ran, sondern eher so: Hey, können wir vielleicht mal gucken?

 

Philipp Ehlert

Ja Digger, probier dich aus. Was willst du kaputt machen? Und das würde ich grundsätzlich auch vielleicht als Appell loswerden wollen: Probiert einfach mehr aus. Nehmt mehr aus der Schule mit in die Betriebe, weil in die Betriebe wissen sie es ja vielleicht auch nicht oder die haben nicht die Zeit, sich damit so intensiv zu beschäftigen und dafür ist ja so eine Ausbildung auch da, mal was aufzuschnappen, was auszuprobieren und nicht nur zu lernen: Wie ist es denn eigentlich bisher?

 

Joubin Rahimi

Ich glaube, den Appell muss man echt mitgeben, das Spielerische nicht zu verlernen.

 

Philipp Ehlert

Ja, bitte. Ganz, ganz dringend.

 

Joubin Rahimi

Also ganz banales Beispiel: Wir haben eine Apple Watch und ich habe es irgendwann mal eingestellt, wie dieses Zifferblatt aussieht. Jetzt sollte mein Sohn mal kurz ein bisschen woanders hin. Da haben wir gesagt: Okay, bekommst du die Uhr und wenn was ist, rufst du an. Er hat die Uhr angehabt, er hat auch erst mal nicht ausziehen wollen. Nachts habe ich sie abgezogen und guck aufs Zifferblatt und dann ist es total verstellend. Und jetzt muss er erst mal gucken: Wo stelle ich es denn wieder ein? Da bekomme ich irgendwie raus: Ich hab nicht den Nerv das. Jetzt lasse ich es einfach so. Ich sage: Das hat mein Sohn jetzt so eingestellt ist, okay. Würde ich wahrscheinlich mit fünf Minuten ausfinden, aber ich merke da schon: Er hat Begeisterung, das zu machen und für mich hat das jetzt gar keinen Stellenwert.

 

Philipp Ehlert

Ist das gerade so genau?

 

Joubin Rahimi

Ja, und dann lasse ich es so. Aber die Frage ist halt beim Zifferblatt, das ist ja Wumpe. Aber es gibt ja andere Sachen, da ist es halt nicht mehr Wumpe, ne?

 

Philipp Ehlert

Ja, es gibt andere Sachen, da ist das nicht mehr Wumpe. Und da würde ich mir das Zifferblatt halt freuen. Da würde ich mich ja freuen, wenn jemand sagt: Boah, sag mal, wenn er nur so Kleinigkeiten anpacken würde, also eher im Sinne von der Mensch, ne? Einfach das ausprobieren und ein bisschen abseits von diesem Working-Brain, was man ja in der Ausbildung auch stark eingehämmert bekommt: Der Prozess läuft so, das haben wir immer so gemacht, oder Das hat sich bei uns eben als richtig erwiesen, bisher. Okay? Aber denkt doch mal abseits davon. Nur weil ich jemanden ausbilde, heißt das ja nicht, dass ich die Weisheit mit Löffeln gefressen habe. Ich kann ihm ja nur sagen: Bisher haben wir das so gemacht, das war ganz gut. Wenn dir was Besseres einfällt, sag mir Bescheid. Wenn dir was auffällt, was ich nicht sehe, sag mir Bescheid. Das ist ja alles nicht in Stein gemeißelt, also sollte es niemals sein. Und man sieht ja gewisse Dinge als Geschäftsführer, als Ausbilder, als, keine Ahnung Mitarbeiter im Lager, als Fahrer auch nicht, weil man die halt selten zu Gesicht bekommt. Das ist ja keine böse Absicht. Wenn ich dann natürlich pissig reagiere und sage: Ist genau doch böse Absicht, dann muss ich mich nicht wundern, wenn mir keiner folgt … Aber bitte einfach sagen.

 

Joubin Rahimi

Ich habe ja auch eine Ausbildung gemacht. Ich bin Fachinformatiker, Anwendungsentwicklung. Ich weiß noch und das hat mich ganz lange geprägt: Wir waren immer sehr strukturiert. Ein guter Arbeitnehmer ist dann jemand, der dann strukturiert die Aufgaben abarbeitet. Also preußische Disziplin, würde ich es mal nennen. Ich habe es jetzt aber festgestellt, dass meine Stärke ganz woanders liegt. Das wurde überhaupt nicht besprochen, dass es unterschiedliche Menschentypen gibt und dass man damit ja auch viel mehr erreichen kann, wenn man weiß, was für ein Typ man eigentlich ist. Wie ist es denn jetzt? Wird da drauf eingegangen oder ist das eher noch weiterhin preußischer Fleiß, der nicht schlecht ist? Disziplin ist super, aber nicht alles.

 

Philipp Ehlert

Nein, nein, nein, auf keinen Fall, auf keinen Fall. Also Disziplin muss man halt a) … Also jeder braucht ab und zu mal ein bisschen Schwung Disziplin. Es gibt Aufgaben, die musst du durchziehen, auch wenn du da keinen Bock zu hast und es gibt Dinge. Ist so. Aber grundsätzlich, ja, kann man auch viel stärker drauf eingehen heutzutage. Ich versuche das bei uns auch, jetzt nicht in so einem Schema, aber schon mal zu gucken: Okay, wie ticken denn die Menschen? Wo könnten eventuell Stärken liegen oder auch Schwächen? Was sind Aufgaben, die man perspektivisch dann auch delegieren kann vernünftigerweise, damit die auch, sagen wir mal, ausgefüllt arbeiten können oder ausgefüllter? Ich denke, da wird heute mehr drauf eingegangen. Ich würde aber auch sagen, das sollte man nicht nur das als Maßstab oder als Grundlage nehmen, weil wie gesagt, es gibt halt auch Dinge, die müssen wir erst mal sagen. Auch das gehört mit zur Wahrheit.

 

Joubin Rahimi

Das muss man auch lernen.

 

Philipp Ehlert

Das muss man auch lernen und dann kann man auch nicht sagen: Da habe ich jetzt keinen Bock zu. Bei uns ist der Klassiker immer der persönliche Kundenkontakt.

 

Joubin Rahimi

Da haben die keinen Bock zu?

 

Philipp Ehlert

Da haben unsere Auszubildenden keinen Bock zu. Krass.

 

Joubin Rahimi

Das ist immer für mich ein Highlight immer.

 

Philipp Ehlert

Ja. Aber vielleicht ist das auch ein Gewöhnungsding. Das ist so dieses Thema raus aus der Komfortzone. Wann lernst du, wenn du nicht in der Komfortzone bist? Und daraus zu kommen, wird halt immer, oder jemanden da herauszureißen, sage ich mal, wird ja auch immer schwieriger. Früher haben die Lehrer einen an die Backen gegeben, nicht wörtlich, aber so, und haben mal gesagt: Hm, wie ist es denn jetzt? Also mittlerweile ist es ja so, dass du dann direkt einen Elternaufstand probst oder die Eltern den Aufstand proben, wenn du deine Schüler zu hart angreifst. Zu hart ist immer auch noch … Also das sind sehr viele Faktoren, die dazu führen, das eben relativ wenig irgendwie aus der Komfortzone raus gedrückt wird, also dass du nicht gepusht wirst, sondern dass du das irgendwie selber machen musst. Das sind wir ja alle viel zu träge zu. Keiner geht ja selber gerne da raus. Und das sind so Sachen, wo ich sage: Okay, dann müsst ihr aber auch so ehrlich sein, das machen. Das gehört dazu. Auch im Vorstellungsgespräch ist das immer ein Thema: Du gehst durch alle Abteilungen, du musst mit Leuten sprechen, du stehst face to face im Laden zum Kunden, damit du eben, um mal den Bogen zum Anfang zu schlagen, damit du eben weißt, wie dein Kunde tickt. Das hilft dir ja überhaupt nichts, wenn der nur online tickt und du weißt gar nicht, wie tickt denn der eigentlich? Das musst du lernen.

 

Joubin Rahimi

Ist das vielleicht auch durch Corona und durch die sozialen Medien und so weiter, sodass die jungen Menschen das als üblichen Kanal sehen, während wir – wir sind ja gleich alt – eher in der Disco Leute kennengelernt haben.

 

Philipp Ehlert

Ja, ich will das gar nicht so sehr auf dieses jugendliche Bashing setzen. Ich glaube, das ist einfach eine Erwartungshaltung. Wenn ich mich für einen IT-Job oder für einen E-Commerce-Job oder für was interessiere und sage, ich möchte da eine Ausbildung machen, ist, glaube ich, eher die Erwartungshaltung, zu sagen, da habe ich wenig mit Menschen zu tun, mehr mit Computern. Und das ist, glaube ich, wichtig zu erkennen, dass ich das mit dem Computer ja eigentlich nur mache, Menschen besser zu verstehen oder bessere Bedürfnisse befriedigen zu können. Und da ist eben das Thema: Wozu muss ich überhaupt mit Menschen reden. Und wenn die nur einen Auftrag aufgeben per Telefon und ich sage: Ja, danke, habe ich verstanden. Ich habe da noch mal eine Frage, wo mir dann Gedanken machen kann: Wie kann ich denn das online abbilden, damit ich da auch besser werde? Anders geht es nicht.

 

Joubin Rahimi

Wie siehst du das Thema Vertrauen? Es wird alles digital, aber der Kundenkontakt bleibt ja bestehen. Klar durch das Digitale, aber auch durch Menschen, die dann ja weiterhin an einem bestimmten Punkten da sind. Ist Vertrauen und Vertrauensaufbau ein wichtiger Schlüssel oder ist das kein wichtiger Schlüssel in der Kundenbeziehung?

 

Philipp Ehlert

Für eine langfristige Kundenbeziehung ist Vertrauen glaub ich, unerlässlich. Das brauchst du aber auch. Also Vertrauen ist ja nichts, was jemand bei der ersten Bestellung hat.

 

Joubin Rahimi

Oder bei der zweiten. Also bisschen Vertrauen hat die Person, ja. Damit die Bestellung klappt.

 

Philipp Ehlert

Ja, das klappt. Dass ich auch das bekomme, was ich bezahlt habe und so. Das ist auf jeden Fall Weil das geht auch so ein bisschen reputationsmäßig dann, Reputationsmanagement irgendwie. Aber das Vertrauen baust du ja auf, indem du nämlich genau das tust: Du lieferst die gewünschten Artikel in der passenden Qualität zur gewünschten Zeit, in dem Umfang und so weiter und so fort, zu dem Preis der vereinbart wurde, zuverlässig, immer wieder. Und bei uns hast du dann immer noch auf der Subline sozusagen das ganze Thema Dokumentation, Nachverfolgung, Rückverfolgbarkeit, Spezifikation, dieses ganze Lebensmittel, Informationen und alles, was du so an Themen hast, lieferst du quasi noch auf der Subline mit. Und dann eben das Thema Dann helfen, wenn der Kunde auch mal in Not ist. Ich habe voll vergessen zu bestellen. Kannst du das eben noch schnell? Oder ich brauche mal ganz schnell eben eine Lösung für dieses und jenes Problem. Und dann baust du quasi langfristig Vertrauen auf. Und ich glaube, für so einen Customer-Lifetime-Value ist das einfach unerlässlich, weil ansonsten ist das halt, einmal bestellt, einmal enttäuscht, dann ein bisschen weg. Kann man machen, kostet aber unglaublich viel Geld und Nerven und macht keinen Spaß.

 

Joubin Rahimi

Ist auch nicht nachhaltig.

 

Philipp Ehlert

Und da, glaube ich, ist auch ein wichtiger Punkt. Zum Beispiel, wir haben ja auch noch einen klassischen Außendienst, sage ich mal, einen Key Account, wie immer man das nennen möchte. Menschen, die halt auch zum Kunden hingehen und mit dem Kunden vor Ort sprechen, sozusagen, und das dann wieder mit in den Betrieb bringen, darauf dann wieder eine zukünftige Lösung, auch meinetwegen digital aufbauen zu können.

 

Joubin Rahimi

Okay. Also ja, ist wichtig, auch on the long run.

 

Philipp Ehlert

on the long run, vor allen Dingen. Ansonsten könnte ich ja auch sagen, ich habe so ein Neukundengewinnungsmodell irgendwie und hole mir immer neue Kunden ran und beliefere die einmal scheiße und mache dann weiter und tausche so mein Geld durch irgendwie.

 

Joubin Rahimi

Aber so viel Kunden gibt es ja gar nicht.

 

Philipp Ehlert

Nein, in unserem Bereich, also das wäre kein Modell für unsere Branche. Das ist eher so ein Modell, das du irgendwie global fahren kannst, keine Ahnung. Es fällt auch keiner ein, der da wirklich Spaß dran hätte. Nein. Leute zu verarschen, quasi.

 

Joubin Rahimi

Genau. Damit möchte ich jetzt gar nicht aufhören.

 

Philipp Ehlert

Das wäre ein schlechter Schluss.

 

Joubin Rahimi

Das wäre ein schlechter Abschluss. Ihr baut ja noch mal was, ne? Oh ja. Genau. Das sieht man ja auf LinkedIn, den Fortschritt dazu. Da war so ein Zeitraff, hast du ja mal so einen Zeitraffer hast ja reingestellt. Wie wichtig sind so Bauprojekte versus auch Digitalprojekte? Habt ihr da so einen vergleicht  ihr das überhaupt oder sagt ihr, es sind einfach ganz unterschiedliche Paar Schuhe?

 

Philipp Ehlert

Jein. Also beide Projektarten oder alles, ist ja eine Unternehmung, wir müssen ja irgendwie weiterkommen, ganz stumpf gedacht. Und wir sind jetzt an einem Punkt angekommen, wo uns einfach der Lagerplatz nicht mehr ausreicht, weil wir halt auch so wahnsinnig viele Produkte und Dienstleistungen mittlerweile unter einen Hut kriegen müssen, die eben eine gewisse Lagerkapazität auch erfordern. Und haben gesagt: Wie gehen wir jetzt in die Zukunft? Und kann eigentlich nur lauten, Prozesse noch mal anzupacken und zu automatisieren. Wollen wir schon seit 20 Jahren. Jetzt haben sie endlich die Chance dazu bekommen und packen das halt an, indem wir ein automatisches Hochregallager bauen, mit Fördertechnik und dann daran anschließend noch ein Projekt machen für Fahrerlose-Transport-Systeme, die dann eben auch Ware bei uns intern autonom verteilen. Einfach aus dem ganz stumpfen Grund, weil wir einfach auch wir als kleiner, mittelständischer Familienbetrieb nicht mehr auf Dauer nicht mehr genug Leute finden, die für die Arbeit im Lager zur Verfügung stehen, so wie wir das brauchen.

 

Joubin Rahimi

Das kann man auch noch mal unterstreichen. Das kann man auch noch mal …

 

Philipp Ehlert

Und wir haben ja immer noch … quasi unser gradiertes Geschäftsmodell ist, eben Bedarfsartikel zu beliefern. Das heißt, die dürfen auch nicht viel kosten. Also da müssen wir irgendwie schauen, dass wir die Prozesse noch effizienter durchziehen und dass wir eben auch über das weltweite Sourcing von Produkten halt auch gewisse Lieferzeiten überbrücken müssen. Wir bauen jetzt 6. 500 Palettenplätze, aber absehbar können wir in fünf Jahren spätestens die nächsten 6. 500 bis 18 dran bauen. Also das ist einfach so. Und nein, wir wägen das nicht. Und außerdem ist das auch ein Digitalprojekt.

 

Joubin Rahimi

Erzähl mal.

 

Philipp Ehlert

Na ja, wir müssen ja digital anbinden, den Materialflussrechner. Ich brauche aus dem hochregal Palette XYZ.

 

Joubin Rahimi

Und auch, wie sind die Wege, wie sind sie am effizientesten und so weiter?

 

Philipp Ehlert

Ja, wobei das macht der Materialflussrechner von dem Hersteller. Die haben noch mal eine interne Logik, aber die muss ja auch mit zu unserer irgendwie sprechen können. Also sind wir gerade dabei, eine vernünftige Schnittstellenkommunikation und eine Schnittstelle zu bauen mit denen. Und dann bist du ja ruckzuck wieder in einem digitalen Thema drin. Also ohne IT geht so was sowieso gar nicht mehr heute. Das geht schon die letzten 20 Jahre nicht, wobei ich mich immer noch wundere: Es gibt immer noch Akquise-Calls, Hey, braucht ihr ein ERP? Ja, wenn du noch keines hast, dann Winke, Winke. Deswegen differenzieren wir das nicht gleich. Wir budgetieren ja auch nicht wie so ein klassisches Unternehmen. Ich habe dieses Jahr 150. 000 Euro für Digitalprojekte mit der synaigy auf dem Schirm und wenn die aufgebaut sind, mache ich nichts mehr. So, das wäre ja Quatsch. Wir gucken eher, was sind eigentlich Schritte, die wir tun wollen? In welcher Reihenfolge sind die sinnvoll? Bitte gib mir mal ein Angebot und dann sagen wir: Okay, das passt in der Reihenfolge, das passt vom Angebotspreis, das erwirtschaften wir aus dem laufenden Geschäft, also machen wir das.

 

Joubin Rahimi

Es gibt sogar ein Buch dazu, Zero Budgeting, heißt das Buch und es kommt eigentlich Also im Endeffekt beschreibt es wie Unternehmer denken, aber ist für Konzerne gedacht, dass man halt sagt: Du machst das, was sinnvoll ist und was du dir leisten kannst, und nicht, was du budgetiert hast, weil die Budgets, wenn die da sind, werden die irgendwie oft verbraten, sondern eher: Guck, was Sinn macht

 

Philipp Ehlert

Das ist ja genau der Kern. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum bei Konzernen immer so Themen hochgespielt werden. Du musst auch das tun, was sinnvoll ist, was sich in Zukunft rechnet oder besser rechnet als jetzt, und das dann einfach machen. Machen, bitte.

 

Joubin Rahimi

Machen, bitte ist …

 

Philipp Ehlert

Lkw ist kaputt, fährt nicht mehr, ich habe kein Budget mehr, ich brauche aber einen LKW, dann lass sie auch nicht mehr. Dann steht der halt nicht mehr. Nein, machen, bitte

 

Philipp Ehlert

Das bekommen Konzerne noch hin, wobei man weiß es nicht gerade. Das stimmt, wenn man sich die Bahn und andere Strukturen gerade anguckt. Philipp, total lieben Dank, dass du hierher nach Dortmund gekommen bist.

 

Joubin Rahimi

Gerne. Danke für auch einfach machen. Das ist unabgesprochen. Die Mutter heißt ja von uns TIMETOACT, das ja auch machen. Also ist Zeit zum Handeln und das ist so viel wichtiger als nichts tun, bewegt ja nichts. Und das, was ich heute einfach noch mal mitnehme, ist, auch wenn du in einem Markt bist, wo ihr schon ja viele Kunden im Markt habt, ist an den Kunden denken immer noch zentral, weil das ist ja eigentlich das, wofür ihr steht. Ihr seid für den Kunden da. Das nehme ich mit. Ich nehme das Machen mit. Und ich nehme auch mit, dass wir alle viel häufiger auch an Nachhaltigkeit vor der Haustür denken müssen. Aber man muss ja nicht immer ganz weit gehen, sondern auch einfach vor der Haustür die Tafel-Idee, auch eure Kunden damit einzuspannen. Das finde ich herzerwärmt. Danke für die Zeit und danke für die Insights. Und wenn ihr Fragen habt, postet sie gerne rein. Anmerkungen dazu. Wir beantworten sie total gerne.

 

Philipp Ehlert

Vielen Dank.

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Joubin Rahimi
Managing Partner synaigy GmbH

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