insights! #113: Was Führungskräfte von einer Südpol-Expedition über Transformation lernen können

Was hat eine Solo-Expedition zum Südpol mit erfolgreicher Transformation in Unternehmen zu tun? Eine ganze Menge wie Anja Blacha in dieser Folge eindrucksvoll zeigt. Die Extrembergsteigerin, Polarforscherin und Ex-Telekommunikationsmanagerin spricht über Planung unter Extrembedingungen, mentale Stärke und das richtige Mindset für große Ziele. Erfahre, wie du durch kluge Vorbereitung, echte Willenskraft und einen mutigen Umgang mit Zeit und Energie auch durch komplexe Veränderungsprozesse im Business.

 

3 Key Learnings:

  1. Planung ist (fast) alles: Wer in der Kälte bestehen will oder in der Transformation muss vorab jede Variable durchdenken. Gute Vorbereitung ist kein Nice-to-have, sondern Überlebensstrategie.
  2. Zeit ist flexibel, nutze sie klüger: Der 24-Stunden-Tag ist kein Naturgesetz. Wer in Energie- statt in Uhrzeiten denkt, schafft mehr mit weniger Stress.
  3. Große Ziele brauchen mentale Klarheit: Schwierige Phasen gehören zum Weg. Wer sein Warum kennt, nimmt Hindernisse als Teil der Reise und nicht als Blockade wahr.

„Do the tough things before things get tough. Also all das, was mühsam ist, schwierig ist, zehrend ist – zu machen, während man noch im komfortablen Setting ist. [...] Wenn wir das vorher gemacht haben, ist die Umsetzung hinterher nicht mehr so tough.“

Anja Blacha Mountaineer | Polar Explorer | Speaker Blacha Ventures

Expedition Südpol – was Transformation mit Eiseskälte zu tun hat

Was wäre, wenn du deinen Job so angehen würdest, wie Anja Blacha ihre Expedition zum Südpol? Nicht mit Halbgas, nicht mit "mal sehen, wie weit ich komme", sondern mit dem unbedingten Willen, etwas Großes zu erreichen. Ihr Ziel: 1400 Kilometer allein durch die Antarktis, von der Küste bis zum geographischen Südpol. Anja hat diese gigantische Strecke nicht einfach auf sich zukommen lassen. Sie hat sie in Etappen geteilt. Sechs “Sprints” statt einem unbezwingbaren Monsterprojekt. Genau das ist auch der Hebel für Veränderung in Unternehmen: Große Ziele in realistische Abschnitte aufteilen. Und dabei immer wissen, was dich auf dem Weg erwartet – von spiegelglattem Eis bis zu Gletscherspalten und Fallwinden.

Schlaf neu gedacht – warum 24 Stunden nicht heilig sind

24-Stunden-Tage sind ein Konstrukt. In der Antarktis, wo die Sonne im Sommer gar nicht untergeht, kann man das ziemlich schnell hinterfragen. Und genau das hat Anja auch gemacht. Statt sich stur an den Tagesrhythmus zu klammern, hat sie einfach selbst einen entworfen – mit 28 oder 30 Stunden. Mehr Schlaf, längere Phasen produktiver Aktivität, weniger nervige Wechsel zwischen Zelten aufbauen, umziehen, essen, schlafen. Was dabei herauskam, war nicht nur mehr Energie, sondern auch ein Aha-Moment für den Alltag: Der Tag ist nicht die Grenze – du bist es. Wenn du aufhörst, in starren Zeitfenstern zu denken, sondern in Energiezyklen, bekommst du eine ganz andere Kontrolle über deine Performance. Und mal ehrlich: Wann hast du das letzte Mal deinen Schlafrhythmus so angepasst, dass er zu deinem Leben passt – und nicht andersherum? Drei Denkanstöße für deinen Rhythmus: • Warum soll dein Tag 24 Stunden haben, wenn 30 besser funktionieren? • Was wäre, wenn du produktive Phasen nicht abwürgst, nur weil „Pause“ ist? • Wann fühlst du dich wirklich wach – und nutzt du diese Zeit auch?

Planung ist alles – und manchmal sogar 80 %

Viele Menschen wollen losrennen, ohne vorher zu wissen, wohin. Anja ist das Gegenteil. Ihre Expedition begann nicht auf Skiern, sondern mit einer Excel-Tabelle. Jede Kalorie, jedes Gramm Brennstoff, jede Tagesetappe – durchgeplant. Und das war kein Kontrollwahn, sondern eine Strategie: Je mehr vorher durchdacht ist, desto weniger muss man unterwegs improvisieren. Das reduziert Stress, spart Ressourcen und erhöht die Überlebenschance. Ziemlich nützlich, wenn draußen -40 Grad herrschen. Übertragen auf Unternehmensprojekte heißt das: Gute Vorbereitung ist kein Luxus, sondern eine Überlebensstrategie. Wer erst anfängt zu rechnen, wenn das Budget knapp wird, hat schon verloren. Anjas Motto „Proper planning prevents poor performance“ ist so simpel wie wahr. Und mal ehrlich – wie oft sind Projekte bei dir schon gescheitert, weil niemand vorher wirklich zu Ende gedacht hat, was alles passieren könnte? In a nutshell meint Anja: „Do the tough things before things get tough.“

Motivation beginnt mit einem echten „Warum“

Es war nicht der Kick, der Anja bis zum Südpol gebracht hat. Es war der Wille. Der tiefe Wunsch, genau dieses Ziel zu erreichen. Diese Art von innerem Antrieb lässt sich nicht faken – sie ist entweder da oder nicht. Und wenn sie da ist, bringt sie Mut mit. Mut, ins Ungewisse zu springen. Mut, die unangenehmen Etappen nicht nur auszuhalten, sondern als Teil des Deals zu begreifen. Wenn du also im Büro sitzt und dich fragst, warum deine Transformation so schleppend läuft – frag dich lieber, warum du sie überhaupt willst. Nur wenn du dein Ziel so richtig willst, hältst du auch durch, wenn’s nervt. Und genau da kommt der zweite Motivations-Booster ins Spiel: die positive Rückkopplung. Denn wer Herausforderungen annimmt, weil sie zum Ziel dazugehören, bekommt auch ein ganz anderes Erfolgserlebnis.
Drei Essentials für echte Veränderung: • Ein Ziel, das dich elektrisiert • Ein Plan, der dich strukturiert • Ein Mindset, das dich stärkt

Nicht die Katastrophen kosten dich Energie

Was wirklich Energie zieht, sind nicht die dramatischen Eskalationen. Es sind die kleinen Störfeuer. Die ratternden Slack-Nachrichten, die 17. Korrekturschleife, das Warten auf die Antwort, die nie kommt. Diese Reibungspunkte, die dich jeden Tag ein bisschen mürber machen. Genau diese „kleinen Reimtaten“, wie Anja sie nennt, sind es, die dich kaputt machen – nicht der Schneesturm oder der Chef. Der Trick? Lerne unterscheiden, was du ändern kannst – und was nicht. Und investiere deine Energie nicht in Ärger, sondern in Handlung. Wer sich an jeder Kleinigkeit aufreibt, verliert den Blick fürs Ganze. Wer akzeptiert, dass nicht alles glatt läuft, bleibt handlungsfähig. Und wer Fokus auf seinen Einflussbereich legt, bleibt gesund – mental und operativ. „Die kleinen Hürden – das sind die, die kaputt machen.“

Burnout vermeiden: Es geht nicht ums Gas geben, sondern ums Reserven behalten

Wenn du dich regelmäßig völlig verausgabst, ist das kein Zeichen von Einsatz – sondern von schlechtem Energiemanagement. Anja sagt ganz klar: Sie geht nie an ihre Leistungsgrenze. Warum? Weil in der Wildnis jederzeit etwas Unvorhergesehenes passieren kann. Und dann braucht man eben noch was im Tank. Wer im Notfall keine Reserven hat, steht auf verlorenem Posten – egal ob am Südpol oder im Pitch.   Gerade in der Businesswelt wird dieses Thema oft unterschätzt. „Pushen, was geht“ klingt motivierend – ist aber brandgefährlich. Du brauchst Pausen, du brauchst Schlaf, du brauchst Luft. Nicht später, sondern jetzt. Und vor allem brauchst du die Klarheit, dass du nicht alle mitziehen musst, nur weil sie schneller rennen. Dein Tempo. Dein Energielevel. Deine Verantwortung.

Du möchtest dir die Folge in voller Länge anhören?
Hier findest du den Podcast des Interviews:

Du möchtest dir die Folge lieber ansehen? Kein Problem!
Hier findest du eine Aufzeichnung des Interviews:

Du möchtest lieber lesen? 

Hier ist der Inhalt:

Joubin Rahimi

Grandios, dass ihr wieder dabei seid zu einer neuen Folge von insights! Mein Name ist Joubin Rahimi und ich darf heute Anja Blacha begrüßen in der Podcast-Folge. Hallo Anja.

 

Anja Blacha

Vielen herzlichen Dank.

 

Joubin Rahimi

Ja, total toll, dass du die Zeit gefunden hast, nach deiner Keynote noch mal hier hochzukommen, weil wir hatten hier auf der INSIGHTS gerade unsere Veranstaltung, in der wir alle Brands zusammenholen und mit ganz vielen Kunden einen Tag der INSIGHTS feiern, deine Insights über Transformation, Digitalisierung, Durchhalten und dein Weg auch zum Südpol. Und ich bin sonst selten sprachlos, aber nach der Präsentation war ich doch sehr, sehr beeindruckt von dem, was du da erzählt hast. Vielleicht sagst du erst mal zwei, drei Sätze zu dir selber.

 

Anja Blacha

Ja, erst mal ganz herzlichen Dank. Und genau zu meiner Person, Anja Blacha. Ich komme ursprünglich aus Bielefeld.

 

Joubin Rahimi

Da gab es übrigens ganz viel Applaus gerade eben. Das war witzig.

 

Anja Blacha

Und bin klassisch in der Telekommunikationsbranche groß geworden, gerade im Geschäftskunden-und Transformationsbereich. Erst bei Vodafone, später bei der Swisscom. Und nebenbei habe ich eine zweite Leidenschaft entdeckt, und zwar die Welt da draußen der hohen Berge und der Polarregionen. Von dem ersten Wanderurlaub ging es dann immer, immer weiter, bis auf einmal die Seven Summit, die höchsten Gipfel der sieben Kontinente, erklommen waren. Dann ging es auf K2 und Broad Peak. Das sind weitere 8.000er. Mittlerweile sind es zwölf dieser 14 8000er, die ich bestiegen habe und auch in die Weiten, raus in die Antarktis, raus nach Grönland, raus nach Nordkanada, Polarexpeditionen durchführen.

 

Joubin Rahimi

Wie viele Menschen gibt es, die die 14 8000er mitgekommen haben?

 

Anja Blacha

Weiß ich gar nicht.

 

Joubin Rahimi

Gibt es viele oder nicht so viele?

 

Anja Blacha

Es sind nicht viele. Also jetzt mal rein auf die Frauen, die ohne Flaschensaustoff auf den 8000ern waren, gibt es vier Frauen oder drei andere Frauen und mich, die zwölf, 13 oder je nach Auslegungsart 14 von diesen bestiegen haben. Das ist schon recht selten.

 

Joubin Rahimi

Das ist recht selten. Ich sage mal, wenn man die Männer dazu zählt, wir haben ein paar Milliarden Menschen. Das ist schon verdammt selten und eine besondere Leistung. Und Südpol, hast du gesagt. Du hast auch den Südpol durchquert vor ein paar Jahren, oder?

 

Anja Blacha

Genau, ja.

 

Joubin Rahimi

Du hattest uns das ja in einer Präsentation bisher mitgegeben. Du hast den Südpol einfach mal so unterteilt, deine Wegstrecke. Das fand ich auch ein smarter Gedanke, aber klar, du hast ja Gedanken gemacht dazu. Warum macht man das?

 

Anja Blacha

Zunächst mal war da für mich dieses große Ziel: Ich will alleine, aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe bis zum geographischen Südpol kommen. Und zwar von der Küste aus, da wo auch ein Schiff andocken könnte. Und die Strecke, das sind 1400 Kilometer von der Küste bis zum Südpol. Und das ist erst mal eine erschlagende Zahl, die überhaupt gar keinen Anhaltspunkt gibt: Ist das für mich machbar oder ist das nicht machbar? Und es musste ich mir runterbrechen und das habe ich mir zum einen einfach mal in Kilometer pro Tag für eine realistische Größeneinordnung runtergebrochen, wo ich dann festgestellt habe, okay, wenn ich jeden Tag acht Stunden Skilaufe plus Pausenzeiten und so weiter und da drei km/h sozusagen Geschwindigkeit oder Langsamkeit auf die Strecke bringe, dann ist das schon mal was ganz anderes, dann kann ich das irgendwie einordnen. Und wenn ich dann auch noch weiß, was erwarte ich dort, jeweils an diesen verschiedenen Etappen bis zum Südpol, dann weiß ich auch, wie ich das noch ein bisschen besser aufteilen kann, als einmal das Gleich zu verteilen. So habe ich mir sechs Unteretappen, sechs Sprints sozusagen, aus dieser Expeditionsstrecke gemacht, wo ich wusste, am Anfang habe ich diese Eiskuppel, dann habe ich ein flaches Stück mit sehr, sehr glattem Eis, danach habe ich eine Bergkette, die ich durchschreiten muss mit der Schlüsselstelle.

 

Joubin Rahimi

Was ist die Schlüsselstelle?

 

Anja Blacha

Die Schlüsselstelle ist erst ein kleines Tal aus blauem Eis, wo die Fallwinde extrem stark sind. Deswegen ist dort blaues Eis, weil der Schnee dort wegfickert. Und auf der anderen Seite von diesem Tal geht es dann eine steilere Passage hoch, die man mit dem Schlitten hochkommen muss. Da habe ich dann auch die Strecke zweimal zurückgelegt, weil ich mir dann einmal ein Depot gemacht habe, bin nur mit der halben Ladung hochgegangen, weil es sonst zu schwer gewesen wäre, bin dann wieder runtergegangen und noch mal hoch, auch mit Steigeisen statt mit Schieren. Dort sind auch besonders viele Gletscherspalten, also auch vom Terrain her, das riskanteste Terrain der gesamten Strecke gewesen. Und so habe ich eben im Vorfeld geschaut: Was gibt es für Etappen? Wie kann ich das alles runterbrechen in diese sechs unterschiedlichen Bereiche? Und was kann ich da realistisch pro Tag in diesen verschiedenen Bereichen?

 

Joubin Rahimi

Und der Tag, das war ja im Sommer, oder? Also dort Sommer.

 

Anja Blacha

Genau.

 

Joubin Rahimi

Da geht die Sonne ja gar nicht unter, oder? Ja. Ich glaube, das ist auch noch mal wichtig zu verstehen. Das ist ja immer hell. Wie ist das mit Tag und Nacht oder Schlafen und 24 Stunden? Ich sage mal, ich würde am liebsten 28-Stunden-Tage haben. Weiß nicht, sind wir im Moment schon 24? Bist du das oder hast du das geändert?

 

Anja Blacha

Ja, du hast genau recht. Man hat dort 24 Stunden am Tag Sonnenlicht und das bedeutet, dieser klassische Tag-Nacht-Rhythmus ist da gar nicht gegeben. Schlafen konnte ich trotzdem sehr gut. Man ist einfach mühe, abgekämpft, erschöpft von den Strapatzen des Tages. Und ich habe es tatsächlich auch so gemacht, nachdem ich erst eine gewisse Zeit lang gesagt habe, ich brauche nicht so viel Schlaf. Wenn ich langsam vorankomme, muss ich mehr Stunden schaffen, habe ich die Nächte immer kürzer werden lassen, versucht, einfach viele Stunden in den 24-Stunden-Tag reinzupacken. Habe aber gemerkt, den Schlaf brauche ich, sonst bin ich einfach langsamer und ungenau im Navigieren tagsüber. Dann habe ich genau das gemacht, was ich dir immer wünschte. Echt? Ja. Ich habe gesagt, Sekunde, warum halte ich so beharrlich am 24-Stunden-Rhythmus fest? Ich kann doch eben auch 28 oder 30-Stunden-Rhythmus in den Tag reinbringen und habe damit viel weniger – wir sprachen schon mal über Context Switching – viel weniger unproduktive Zeit im Verhältnis zur produktiven Zeit. Wenn ich längere Tage mache, länger Skilaufe, aber eben den Schlaf nicht kürze, dann komme ich über die 24 Stunden hinaus, dann komme ich auf die 28, 30, was auch immer, und muss aber nicht so viel Zeitverluste mit dem Kaufen im Fitt Zelt auf-und abbauen.

 

Joubin Rahimi

Was war denn so dein Rhythmus? Wo hast du gesagt, das war dann der Sweet Spot für dich?

 

Anja Blacha

Den gab es in der Form nicht. Also ich sage mal, zwei Drittel der Strecke habe ich einfach die klassischen 24 Stunden gemacht und dann im letzten Drittel fing es an, dynamischer zu werden. Und ich habe es dann so gemacht, dass ich wirklich gesagt habe, ich stelle mir keinen Wecker, mein Körper braucht den Schlaf, den er braucht. Ich muss abschalten, um wieder anschalten zu können. Und dann habe ich eben tagsüber die Strecken gemacht, die maximal möglich waren, ohne am Ende des Tages mich noch nicht dahin zu schleppen und nicht wirklich von der Stelle zu kommen und dann einfach weitergemacht.

 

Joubin Rahimi

Hast du es denn auch auf der Zeit gemerkt, dass du dann schneller wurdest? Also, dass du sagst, okay, nicht über 24 Stunden, aber dann über fünf Tage oder was auch immer, fünf Einheiten, dass du gemerkt hast, du legst dann mehr Kilometer hinter dir oder lässt mehr Kilometer hinter dir und bist vielleicht dann auch noch fitter? Oder hast du da Daten gesammelt?

 

Anja Blacha

Ja, ich habe alles getrackt und zwar gemessen und wusste auch jeweils immer alles, aber am wichtigsten war für mich, dass ich quasi den Gesamtstreckenplan pro Zeitinhalt hinbekommen habe, weil ich hatte ganz fixe Essensreaktionen, ich hatte ganz begrenzte Brennstoffmengen, ich hatte sogar auch begrenzte Zeit, weil ich nach hinten in Ende nichts über den antarktischen Sommer hinauskommen durfte, sonst wäre er vielleicht nicht mehr rausgereist.

 

Joubin Rahimi

Darf man nicht rausreisen dann? Oder wie ist das?

 

Anja Blacha

Wenn die Sonne nicht mehr über den Horizont kommt, das ist nämlich das andere Ende der Sommer-Saison, dann kann man auch nicht mehr gut ausreisen.

 

Joubin Rahimi

Geht das so schnell dann?

 

Anja Blacha

Das geht recht schnell, ja.

 

Joubin Rahimi

Genau. Also von Sonne alles ist tutti zu jetzt haben wir Nacht, bis dann halt in ein paar Tagen oder paar Wochen dann.

 

Anja Blacha

Ja, genau. Ja, aber im Endeffekt habe ich festgestellt, das Wichtigste für mich ist voll anschalten, also wirklich mit voller Energie in jeden Tag rein starten. Dazu muss ich auch komplett abschalten. Dazu braucht mein Körper Erholung und Schlaf, auch weil er sonst kälteempfindlicher, krankheitsempfindlicher ist und zwar das Immunsystem nicht so stark ist, der Kopf nicht so gut funktioniert.

 

Joubin Rahimi

Du hattest im Vortrag noch die 5 P's. Ich bekomme sie gar nicht mehr richtig zusammen, aber in dem Nutshell war es: „Bereite dich gut vor, weil das Schlimme kommt so oder so, dann wirst du wenigstens vorbereitet" und nicht „Bereite dich nicht vor." Vielleicht kannst du es noch mal wiederholen.

 

Anja Blacha

Man sagt, proper planning prevents poor performance. Eine gute Planung verhindert eine schlechte Umsetzung oder Leistung.

 

Joubin Rahimi

Gilt ja auch im Geschäftlichen, oder?

 

Anja Blacha

Ja, 80% dieser Expedition war Planung, Planung, Planung. Und das war auch einer der Gründe, warum ich so froh war, als es losging, weil auf einmal ich ja alle Entscheidungen schon im getroffen habe: Was nehme ich mit? Was brauche ich an Essen pro Tag? Was brauche ich an Brennstoff pro Tag? Nach wie viel Stunden kann ich oder nach wie viel Kilometern kann ich den Tag beenden? Und musste nur noch ausführen und nur noch mit dem umgehen, was an Unvorhergesehenem auf mich zukam. Alles Vorhersehbare war durchgedacht. Und selbst wenn etwas Unvorhergesehenes passierte, konnte ich quasi eine Kalibrierung vornehmen anhand meines ursprünglichen Plans. Da wusste ich, okay, jetzt muss ich mehr Strecke machen oder ich liege total gut drin und kann gerade mal ein Stück in meinen Puffer reingehen, je nachdem, wie gerade die Gegebenheiten waren. Und ich würde auch immer sagen, das ist jetzt leider auch wieder auf Englisch, do the tough things before things get tough. Also all das, was mühsam ist, schwierig ist, zehrend ist zu machen, während man im komfortablen Setting ist. Also bevor es an die Umsetzung geht, bevor es raus in die Kälte geht, aber bevor es eben in die Projektexekution geht, dann, wenn man noch die Möglichkeiten hat, Ressourcen, Budgets, Zeiten einzuplanen oder sich die Fähigkeiten aufzubauen, weil wenn wir das vorher gemacht haben und es hinterher die eigentlich taffe Umsetzung, nicht mehr so taff.

 

Joubin Rahimi

Ja, und das ist ja auch für das Geschäftsleben. Da wo ich sage, das kann man eins zu eins überführen. Oder eat the fuck first, sage ich ganz gerne. Also die schlimmsten Aufgaben am Tag einfach mal am Anfang erledigen. Fühlt sich danach immer cool an, auch wenn man davor nie drauf hat. Was wäre denn passiert, wärst du irgendwie den Berg nicht so schnell hochgekommen, hättest zehnmal hoch und runter gemusst und dann hättest du gemerkt, Essensration geht aus? Gibt es dann so einen Plan B oder einen Notfallplan dazu? Weil da geht es ja nicht darum, reiße ich ein Budget oder nicht, sondern es geht darum, überlebe ich oder nicht?

 

Anja Blacha

Ja, das erstens natürlich dann, sich die Essensration noch wieder anders aufzuteilen, weil man merkt, ich habe jetzt mehr Zeit gebraucht. Dann muss ich schauen, ob ich mir vielleicht jeden Tag etwas von meinem Essen absparen kann und das hinten draufschlagen kann für die Zeit, die ich mehr brauche. Was ich nicht verlängern kann, ist, wie lange die Sommer-Saison in der Nacht ab ist. Sie ist vorbei, wenn sie vorbei ist, da habe ich eine harte Deadline, die ich einhalten muss, selbst wenn ich sage, ich komme mit der Hälfte des Essens pro Tag aus. Und Brennstoff ist natürlich auch immer eine Schwierigkeit, denn Wasser ist einfach noch überlebenswichtiger als Essen. Stimmt.

 

Joubin Rahimi

Wie kalt war es da? Minus 40 Grad, hast du gesagt, bis zu minus 40 Grad? Genau. Und ohne Brennstoff, kein Wasser, ohne Wasser. Das kannst du auch nicht … Schnee kannst du ja bei der Kälte auch nicht in den Mund nehmen, oder?

 

Anja Blacha

Ja Genau, das ist total energieineffizient für den Körper, selber den Schnee zu sagen, schmelzen zu müssen.

 

Joubin Rahimi

Was würdest du Transformation-Personen, die die Transformation im Unternehmen vorantreiben? Was würdest du den mitgeben, außer dem, was wir vielleicht schon gerade gesagt haben?

 

Anja Blacha

Vor allen Dingen, glaube ich, das Mindset. Das, was mir geholfen hat, meine Projekte umzusetzen, ist, dass ich gestartet bin mit dem Wollen. Ich will dieses Ziel erreichen und das ist mein Ziel. Und aus dieser Willenskraft wächst dann ganz, ganz viel anderes raus. Da wächst dann der Mut, raus zu sagen: Und ich mache jetzt diesen Sprung ins Ungewisse und gehe das jetzt mal an. Da wächst das Verständnis von: Die Herausforderungen, die ich gerade unterwegs habe, sind natürlich nie angenehm, aber die wollte ich, weil ich ein anspruchsvolles Ziel erreichen wollte und die gehören dazu. Sonst hätte ich dieses Ziel ja auch gar nicht erst mit mir steckt. Und dann nimmt man die auf einmal ganz, ganz anders an und hat ein ganz anderes auch positives Feedback, das man sich selber generiert, wenn man dann in dieser Herausforderung steckt und denkt: Jetzt kann ich mich beweisen. Jetzt kann ich mal zeigen, ob ich das auch wirklich kann, was ich mir dazu getraut habe, und kann hinterher auch stolz auf mich sein. Und natürlich am Ende auch dieses Durchhaltevermögen, denn ich glaube, das unterschätzen wir die großen Eskalationen, die großen Schwierigkeiten, die großen Challenges, die können beflügeln und die geben uns Adrenalin und die geben uns dieses positive Feedback, wenn wir sie gemeistert haben. Die kleinen reibenden Hürden im Alltag. Die machen kaputt. Die machen kaputt. Und da müssen wir aufpassen, dass wir denen nicht noch Energie hinterherwerfen, indem wir uns drüber aufregen, wenn wir sie nicht ändern können, uns dran zerreiben, uns kaputt machen darin, sondern dass wir da lernen, sie zu akzeptieren und auf unseren Einflussbereich wieder zu fokussieren und den Fokus, den Stoizismus in gewisser Weise zu bewahren.

 

Joubin Rahimi

Was ihr gar nicht so sehen und spüren könnt – Anja's Augen sind total klar –, Vielleicht klingt das jetzt ein bisschen komisch. Wir haben über 100 oder 110. Nein, nein. 110, 120 Podcast-Folgen schon gemacht, also schon den einen oder anderen. Aber ich spüre richtig, wie das, was du tust, das ist, was du willst. Und ich glaube, da gibt es auch keinen Burnout. Man wird ja nicht müde, weil man tut ja das, worauf man Bock hat.

 

Anja Blacha

Ja.

 

Joubin Rahimi

Du wirst auch irgendwie müde, aber nicht so ein Burnout-Müde. Weißt du, was ich damit meine?

 

Anja Blacha

Ich glaube, was mir da auch noch hilft ist: Ich gehe nicht an meine Grenzen. Metapherisch wird mir immer wieder gesagt: Ich gehe über meine Grenzen. Ich zeige, dass es keine Grenzen gibt, aber an meine Leistungsgrenze darf ich niemals kommen. Warum? Ich bin in einer Umgebung außerhalb meiner Kontrolle. Es kann immer etwas passieren. Es kann immer sein, dass das Wetter umschwingt, dass da, wo ich meinen Zeltplatz errichten wollte, auf einmal Spalten sind und es gefährlich ist, dass auf einmal vielleicht mir oder wenn ich in den Bergen mit anderen Leuten unterwegs bin, jemand anderem etwas oder mir was passiert und auf einmal brauche ich eine Reserve.

 

Joubin Rahimi

Und die hast du dann nicht.

 

Anja Blacha

Und wenn ich die nicht habe, dann habe ich ein großes Problem. Und wenn ich auf null runtergehe, brauche ich so viel länger, zu regenerieren und wieder Kraft für den nächsten Tag oder die nächste Etappe zu sammeln. Und deswegen sage ich immer, ich darf nicht an meine Grenzen gehen und muss selber mich immer wieder dazu bringen, zu sagen: Genug. Abschalten, nicht mich ausbrennen, auch wenn die Motivation da ist.

 

Joubin Rahimi

Ist das schwer? Oder für dich ist das für dich schwer oder bekommst du das gut hin, diese Balance dann zu halten?

 

Anja Blacha

Ich würde sagen, das funktioniert ganz gut. Zum einen muss man es, glaube ich, im Vorfeld auch schon mit einplanen, quasi auf welchem Leistungsniveau, wenn man allein unterwegs ist, will ich mich da pushen und auf welchem Leistungsniveau bin ich. Passt das zusammen? Und ich glaube dann, wenn man im Team unterwegs ist, muss man wirklich auch drauf schauen, dass man nicht sagt: Nur weil die anderen schneller gehen, gehe ich das gleiche Tempo. Vielleicht sind die anderen fitter als ich. Das ist das eine. Vielleicht haben die anderen aber auch nicht die gute Kräfteeinteilung gerade vorgenommen und haben dann später ein Problem, wo sie leer sind. Da muss ich immer wieder sagen: Nur weil die anderen so oder so unterwegs sind, muss ich trotzdem für mich entscheiden, was kann ich halten und was nicht.

 

Joubin Rahimi

Und das ist, glaube ich, ein superschönes Schlusswort: Auf sich selber hören, den eigenen Weg gehen, nicht auf die anderen schauen und das dann halt Schritt für Schritt. Danke dir, Anja.

 

Anja Blacha

Vielen Dank.

 

Joubin Rahimi

Total inspirierend. Hat uns ganz große Freude gemacht. Danke.

 

Anja Blacha

Danke schön

Du hast Fragen oder Feedback?

Dann kontaktiere uns gerne direkt.

Joubin Rahimi
Managing Partner synaigy GmbH

Vertiefe dein Wissen mit uns

Jetzt Blog abonnieren und keine News mehr verpassen

✔️kostenlos ✔️jede Woche News ✔️Expertenwissen